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03487 IT Service Desk – Service trotz Wachstums – Outsourcing des SPoC

Die Anforderungen an IT werden vielseitiger, da neben technischen Anforderungen der Wunsch nach Beratung immer weiter wächst und zudem rechtliche Themen und Compliance ebenfalls noch relevanter wird.
In Anbetracht dieser Umstände kommt man unabweisbar zum Schluss, dass man nicht mehr all diese Aufgaben allein bewältigen kann. Outsourcing bzw. Outtasking ist der sinnvolle Schritt, dafür muss eine Sourcingstrategie erstellt werden.
Wie schon in den beiden vorangegangenen Beiträgen konzentrieren wir uns auch in diesem wieder auf den Service Desk. Konkret wird beispielhaft das Outsourcing des Single Point of Contact (SPoC) beleuchtet.
Dabei erfahren Sie, wie wichtig es ist, die Dienstleisterbeziehung hin zu einer Partnerschaft zu entwickeln, welche Dokumente helfen können, diese Beziehung erfolgreich zu machen, und welche Rolle dabei der Service Manager spielt.
Arbeitshilfen:
von:

1 Einführung

Kultureller Wandel
Die Professionalisierung der IT ist in vollem Gange, wir gehen in diesem Beitrag von folgendem Stand aus:
Der kulturelle Wandel zeigt Erfolge, aus einer internen IT wird eine ITSM-Organisation mit Serviceorientierung, klarer Abgrenzung und messbaren Werteversprechen. Die IT wird schrittweise anders wahrgenommen und mehr „genutzt”. Mit den steigenden Anforderungen baut auch die IT neue Ressourcen auf, doch dieses Wachstum ist endlich.
Wie geht die Reise nun weiter?

2 Know-how-Optimierung

Personalmanagement
Innerhalb eines solchen Transformationsprojekts kommt der Punkt, an dem weitere Anforderungen nicht über zusätzliche Ressourcen abgefangen werden können. Das Management von Personal spielt eine größere Rolle, in mehrfacher Hinsicht.
Nachdem nun ein Team in festen Strukturen gemeinsam an einem Strang zieht, können neue Kollegen zwar frischen Wind hineinbringen, gleichzeitig aber auch schwieriger zu integrieren sein in ein Team, das durch das Durchleben des gemeinsamen Transformationsprozesses zusammengeschweißt wurde.
Zum anderen geht es um die viel grundlegenderen Fragen in Richtung Zukunft: „Wer kann was, und was wollen wir davon in Zukunft können und wie gut?”
Fähigkeiten feststellen
Beginnen Sie also – gemeinsam mit Ihrem Team über einen oder mehrere Workshops – die aktuellen Arbeitsaufgaben aufzuschreiben und zu kategorisieren. Daraus lassen sich benötigte Fähigkeiten ableiten; die sogenannten Hard Skills stehen dabei im Vordergrund, das Fachwissen. Die Kollegen können ihr Know-how auf einer Skala von 1–10 zu einem bestimmten Thema selbst einschätzen, und dies wird dann an einer Pinnwand geteilt, somit entsteht eine gemeinsame Diskussion, vor allem aber Transparenz darüber, in welchen Themengebieten das Team Nachholbedarf hat und wo es sehr gut aufgestellt ist.
Transfer organisieren
Wer hat den Willen, die Neugier, die Zeit und die Fähigkeit, sich in ein weiteres Thema einzuarbeiten, um das Wissen auf mehrere Schultern zu verteilen? Kann der Wissenstransfer intern stattfinden, unter Kollegen, oder sind dazu externe Schulungen notwendig?

3 Outsourcing mit Business-Impact-Analyse

Oftmals findet man in historisch gewachsenen IT-Organisationen viele wertvolle Alleskönner, die eine große Breite an Themengebieten abdecken, innerhalb dieser Themen aber nur eine bedingte Tiefe aufweisen.
Strategie erarbeiten
Es ist hilfreich, eine Strategie für alle gesammelten Themengebiete zu erarbeiten, in welchen Themen ich zukünftig selbst tiefes Wissen aufbauen und besitzen möchte und welche Themen durchaus extern übernommen werden können. Dabei ist neben der Ist-Aufnahme ein Abgleich mit der Strategie unabdingbar, um auch Themen einzuplanen, die derzeit noch keinen, aber in der Zukunft einen wichtigen Platz einnehmen werden.
Es ist hilfreich, diese Aufgabenstellung unter mindestens folgenden drei Gesichtspunkten zu betrachten:
Know-how
1.
Wie viel Wissen ist zu einem Thema vorhanden, wie viel Aufwand (zeitlich und monetär) erfordert es, weiteres Wissen aufzubauen?
Risiko
2.
Handelt es sich bei dem Thema um Wissen oder Fähigkeiten zu Systemen, die für das Unternehmen essenziell sind?
Wirtschaftlichkeit
3.
Ist es günstiger, einen externen Dienstleister mit einem Thema zu betrauen, statt eigenes Wissen aufzubauen?
Es bleibt zu berücksichtigen, dass gerade in der IT strategische Produkte zu definieren sind, die über die folgenden Jahre als „gesetzt” gelten, und Produkte, bei denen durchaus die Chance auf Wechsel besteht. Gerade bei den letztgenannten Themen ist es sinnvoll, sich Wissen einzukaufen, statt intern Wissen aufzubauen, zu pflegen, nur um es dann nach x Monaten zu verwerfen, weil ein Produktwechsel stattfindet.
Business Impact Analyse
Damit die IT sich bei solch grundlegenden Fragen nicht allein mit sich selbst beschäftigt, ist es wichtig das Management, mindestens den CFO mit einzubeziehen. Eine gute Diskussionsgrundlage bietet eine Business-Impact-Analyse (BIA). Im Rahmen der IT-Workshops wird definiert, welche Services aus IT-Perspektive lebensnotwendig für das Unternehmen sind, also Core Services bilden. In der Business-Impact-Analyse wird dann geschätzt, welche Auswirkung es auf das Unternehmen hat, wenn der Service für zwei Stunden, vier Stunden, einen Tag oder eine Woche ausfällt.
Diese Einschätzung sollte unbedingt mit dem Management diskutiert werden, um auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. So verifizieren Sie als Verantwortlicher Ihre Arbeitsergebnisse und Ihre Strategie bzgl. Wissensaufbau und Outsourcing.
Als Arbeitshilfe finden Sie eine beispielhafte Vorlage für die Dokumentation einer Business-Impact-Analyse beigefügt, sowohl in einer übersichtlichen tabellarischen Darstellung für mehrere Geschäftsprozesse als auch eine Darstellungsvariante für einen einzelnen Prozess.[ 03487_a.xlsx]

4 Single Point of Contact (SPoC) des Service Desk outsourcen

Outsourcing
Ein häufig gewählter Weg für Outsourcing ist in den letzten Jahren die Cloud, sowohl für Datenhaltung als auch für Applikationen. Outsourcing kann in der IT auf mehreren Wegen stattfinden, auch Managed-Service-Modelle werden immer beliebter und häufiger genutzt.
Ein absoluter Klassiker seit 15 Jahren ist aber die Verlagerung der telefonischen Hotline zu einem externen Dienstleister. Leider wird dieser Weg zu oft aus den falschen Gründen gewählt, und deshalb hat diese strategische Entscheidung einen unnötig schlechten Ruf.
Natürlich kann jederzeit die Entscheidung getroffen werden, dass man eine konkrete Aufgabe aus Kostengründen verlagern und möglichst günstig erbracht bekommen möchte. Oftmals spiegelt der Preis aber auch die Qualität und da ist das mögliche Spektrum beim Telefonsupport besonders groß.
SPoC extern betreiben?
Wenn der SPoC des Service Desk extern betrieben wird, dann sollte dies immer mit dem klaren Bewusstsein geschehen, dass es sich um die erste Anlaufstelle für alle Anwender handelt und dort in kurzer Zeit geballtes Wissen über die Organisation entsteht und sich zeigen wird, wie zufrieden die Anwender mit den IT-Services sind. Diese Entscheidung sollte nicht leichtfertig getroffen werden, sondern nur mit einem klaren strategischen Ziel.
Vernünftige Gründe können sein, dass man mehrsprachigen Support oder ein breites Zeitfenster der Erreichbarkeit anbieten möchte, um verschiedene Zeitzonen abdecken zu können.

5 Auswahl des richtigen Dienstleisters oder Partners

Nachdem die Sourcing-Strategie definiert ist, geht es an die Auswahl des richtigen Dienstleisters bzw. Partners. Ich möchte mich an dieser Stelle auf das Beispiel der ersten Anlaufstelle – des SPoC – konzentrieren. Die folgenden Punkte sind allerdings zu einem großen Teil übertragbar auf anderen Themen.
Dienstleister oder Partner?
Bei der Auswahl des passenden Dienstleisters sollten Sie sich tatsächlich vorab die Frage stellen, ob Sie einen Dienstleister oder einen Partner suchen. Ein Dienstleister ist vor allem ein bezahlter Befehlsempfänger, der sich strikt an das Vertragswerk halten und viel konzeptionelle Arbeit bei Ihnen belassen wird. Ein Partner arbeitet auf Augenhöhe, stellt gegebenenfalls auch durchaus unbequeme Fragen, weil er mitdenkt. Gleichzeitig kommt man vertraglich in der Zusammenarbeit durchaus in Grauzonen, was nicht jedem liegt, dazu später Beispiele.
Von zentraler Bedeutung ist dabei das Verständnis dafür, dass ein Vertrag zwar die Basis der Zusammenarbeit und Vergütung verschriftlicht, aber kein gegenseitiges Verständnis schafft. Ein Dienstleister kann Ihnen einen Dienst nur so gut leisten, wie Sie in der Lage sind, diesen Dienst zu beschreiben. Für Sie und Ihr Team gibt es im Arbeitsalltag nach vielen Jahren unzählige Selbstverständlichkeiten, die einem Externen dagegen völlig unklar sind.
Dokumentation
Hilfreich ist also jegliche Art von Dokumentation für den Externen, je zielgerichteter, desto besser. Dazu gehören natürlich gute Schulungsunterlagen, um die Kollegen fachlich fit zu bekommen, gerne in verschiedenen Formaten. Das kann von FAQ, Foliensätzen und Kurzanleitungen in Word bis zu Einträgen in einer Wissensdatenbank und Anleitungsvideos reichen. Wählen Sie das richtige Medium zum Transport der Inhalte, überladen Sie „die Neuen” nicht mit Inhalten, portionieren Sie das umfangreiche Abteilungswissen mundgerecht.
Service Manual
Ein wichtiges Instrument, um gegenseitiges Verständnis zu schaffen, ist ein Betriebshandbuch, neudeutsch: Service Manual. Ein solches Handbuch kostet zwar einmaligen Erstellungs- und minimalen Pflegeaufwand, dokumentiert aber nicht nur die eigene Arbeitsweise, sondern hilft vor allem neuen Mitarbeitern und Externen sehr schnell zu verstehen, worauf es ankommt.
Sinnvolle Inhalte
Ein sinnvoll strukturiertes Dokument wird in jedem Kapitel konkreter und vermittelt inhaltlich zuerst, in welchem Umfeld man sich befindet, wer die Kunden sind, wie Regelkommunikation und Eskalationen ablaufen, schildert dann Rollen und Prozesse, bis man später zu konkreten Dingen wie Eingangskanälen und Betriebszeiten kommt. Als Neuling zu verstehen, welche Rolle ein Vertriebsmitarbeiter in der Organisation hat, welche Auswirkung ein nicht funktionierender E-Mail-Server haben kann, welche Aufgaben mit meiner Rolle einhergehen, an welcher Stelle im Prozess ich etwas zu tun habe, wer vor mir dran ist und wer nach mir an der Reihe ist ... – all das in einem Dokument übersichtlich vorzufinden hilft ungemein.
Konkret, aber nicht zu deailliert
Damit das Betriebshandbuch nicht monatlich aktualisiert werden muss, macht es Sinn, konkret zu werden, ohne zu detailliert zu sein. Beschreiben Sie z. B. eine Rolle wie die des Change Managers konkret, inkl. Dokumenten, die er produziert, typischen Kommunikationspartnern usw. Nennen Sie aber nicht die Namen der Personen, die diese Rolle innehaben, dies kann sich häufiger ändern als die Rolle selbst. Ebenso macht es Sinn, in einem abschließenden Kapitel aufzulisten, welche Tools in der IT benötigt werden, um Support zu erbringen. Eine komplette Auflistung der Infrastrukturkomponenten und der eingesetzten Software hingegen ist völlig kontraproduktiv, da wahrscheinlich mindestens monatlich Änderungen vorgenommen werden müssten.
Ein Beispiel für den Aufbau und den möglichen Inhalt eines solchen Betriebshandbuchs bzw. Service Manuals finden Sie als Arbeitshilfe beigefügt.[ 03487_b.docx]

6 Obacht beim Vertragswerk

Egal, wie gut ihr Betriebshandbuch ist, egal, wie viele Schulungsunterlagen Sie anbieten, so ganz ohne Vertrag geht es dann doch nicht.
Halten Sie es einfach!
Achten Sie bei der Vertragserstellung darauf, dass Sie Ihre Zielorientierung nicht verlieren und schlimmstenfalls Vereinbarungen treffen, die mit den Erwartungen Ihrer Anwender nichts zu tun haben. Halten Sie den Vertrag ebenfalls einfach und sehen Sie von zu vielen Sonderklauseln ab. So gut wie jede vertraglich vereinbarte Kennziffer kann manipuliert oder geschönt werden; wozu also allzu viel Energie in die Messung unzähliger Ausnahmeregelungen investieren?
Beispiel
Eine typische Kennzahl ist die Reaktionszeit bzw. Annahmequote des telefonischen Helpdesks. Vereinbart wird zum Beispiel 80/30. Bedeutet: 80 Prozent der Anrufe werden innerhalb der ersten 30 Sekunden angenommen. Generell eine schöne Idee, denn kein Anwender muss lange warten. Nun kommen meistens Zusatzregelungen hinzu. Zum Beispiel wird eine Maximalzahl an Anrufen pro Tag definiert, geht die Zahl der Anrufe darüber hinaus, wird der Tag aus der Bewertung genommen. Es gibt viele Beispiele für solche Ausnahmen, was schon die korrekte Berechnung dieser vertragsrelevanten Kennzahl kompliziert. Ich kann diesen Aufwand betreiben, sollte mir aber gleichzeitig bewusst sein, dass im beauftragten Callcenter jederzeit ein Kollege ein Handy zücken und 100-mal beim Helpdesk anrufen kann, ein anderer Kollege legt 100-mal direkt nach dem „Hallo” wieder auf und schon geht die Annahmestatistik brav in den grünen Bereich. Jede Kennzahl liefert mir eine Tendenz, diese aber zu absolut zu sehen und sich darauf zu verlassen führt nur zu unnötig komplexen Verträgen.

6.1 Operational und Service Level Agreements

Achten Sie darauf, dass die Vertragsbestandteile auch Ihren internen Vereinbarungen entsprechen. Wenn Sie dem internen Kunden versprechen, dass ein bestimmtes Anliegen in zwei Werktagen gelöst ist, dann muss mit dem externen Partner klar vereinbart sein, in welcher Zeit Tickets dort gelöst oder weitergeleitet werden, damit Sie Ihr intern abgegebenes Werteversprechen weiterhin halten können.
Service Level Agreements
Es gibt im Internet ausreichend Beispiele für SLA-Dokumente, also die Service Level Agreements. Halten Sie allerdings auch diese Dokumente möglichst einfach und schreiben Sie die Inhalte aus Kundenperspektive. Versetzen Sie sich in die Situation des Anwenders und fragen Sie sich selbst, was Ihnen wichtig ist, wenn ein Service bei Ihnen privat nicht funktioniert. Fällt Ihre Internetleitung aus, wollen Sie wissen, wann Sie es wo melden können. Sollte der Ausfall längere Zeit bestehen, wird Sie interessieren, ob Sie dafür eine Entschädigung erhalten.
Nicht anders geht es auch Ihren internen Kunden.
Was ist der Service?
In welcher Zeit bekomme ich diesen zur Verfügung gestellt?
Wann kann ich mich wo auf welchem Weg bei einem Ausfall melden?
Gibt es Pönalen?
Unterschied SLA und OLA
Übrigens ist dies auch das zentrale Unterscheidungsmerkmal zwischen SLA und OLA. Als Operational Level Agreement (OLA) bezeichnet man eine Vereinbarung, die innerhalb einer Organisation zwischen unterschiedlichen Einheiten getroffen wird. So werden im Rahmen von OLA keine Vertragsstrafen vereinbart, beim SLA werden solche durchaus festgeschrieben.

6.2 Beispiel: Erstlösung

Statt den Vertrag zu nutzen, um am Ende lange über die Erfüllung und mögliche Vertragsstrafen zu streiten, spiegeln Sie lieber eine ganz konkrete Erwartung.
Erwartung an Partner definieren
Wenn Sie als Vertragsbestandteil die oben beschriebene telefonische Annahmequote vereinbaren, setzen Sie das Signal, dass Sie vor allem auf Geschwindigkeit in der Ticketannahme setzen. Fragen Sie sich aus Kundensicht, was ab dann wichtig wird. Ist es die gesamte Durchlaufzeit eines Tickets? Die Qualität?
Kundensicht berücksichtigen
Nur wenn Sie aus dieser Kundenperspektive kommen, wird es Ihnen möglich sein, gute Vertragsinhalte zu definieren. Wie bei einem Projektauftrag ist es sinnvoll, auch abzugrenzen, was nicht Teil der Erwartung ist.
Die Erstlösungsquote ist ein gutes Beispiel dafür, dass es sinnvoll ist, sich auf wenige Eckpunkte zu konzentrieren, diese dafür möglichst sauber zu definieren und vorzubereiten. Einem externen Helpdesk zu spiegeln, dass man auf Erstlösung setzt und nicht auf reines „Catch&Dispatch”, also Annehmen und Weiterleiten (ohne zu lösen), ist ein klarer Ausdruck der Erwartung.
First Fix Rate
Typischerweise wird eine „First Fix Rate” im Bereich um die 60 % vereinbart, über alle angenommen Tickets hinweg. Das vermittelt plakativ gesagt den Eindruck: „Ihr macht das schon. Irgendwas. Irgendwie.” Deutlich partnerschaftlicher und zielführender ist es, die Kategorien im eigenen Ticketsystem auf Erstlösungsfähigkeit zu prüfen und die Kategorien so zu schneiden, dass Tickets klar erstlösungsfähig sind oder nicht. Auf dem Weg schafft man eine klare Erwartung in mehrere Richtungen: Zum einen weiß der externe Partner, was er selbst schaffen soll, zum anderen wissen auch die Mitarbeiter in der eigenen IT, welche Tickets bei ihnen landen werden und welche zukünftig nicht mehr. Diese Definition, welche Tickets erstlösungsfähig sind und welche nicht, erfordert einen hohen Einmalaufwand und eine regelmäßige Pflege, lohnt sich aber gleich mehrfach. Denn abgesehen davon, dass man für diese Auswahl von Tickets eine Quote von 90 % plus erwarten kann, ist es möglich, für alle anderen Tickets eine schnellere Weiterleitung an die richtige Stelle zu erreichen und konkreter in Themenbereichen nachzuschulen, in denen die Quote verfehlt wird.

7 Transitionsprojekt

Vorbereitungszeit einplanen
Sobald der Vertrag geschlossen ist, sollten mindestens sechs Monate Zeit bis zum produktiven Start des externen Helpdesks sein, denn typischerweise braucht zuerst der Dienstleister bis zu drei Monate für Räumlichkeiten, Recruiting und Aufbau des Teams. Im Anschluss benötigt der Auftraggeber dann ebenfalls drei Monate für Wissenstransfer und die sogenannte Shadowphase.
Wenn Sie das Transitionsprojekt planen, ist zwar ein zentraler Baustein die Wissensvermittlung, beachten Sie aber besonders auch die Risiken und den kritischen Pfad. Das Outsourcing des SPoC sollte immer rechtzeitig angekündigt und im Unternehmen kommuniziert werden. Ab diesem Moment wäre es unangenehm, den Start verschieben zu müssen, weil das Projekt zeitlich zu eng aufgesetzt war oder Risiken wie technische Hürden am Ende einen Strich durch die Rechnung machen.
Vorbereitungen treffen
Im eigenen Unternehmen können Sie zwar parallel zum Recruiting des Dienstleisters schon Schulungsunterlagen erstellen, viele andere Schritte sind aber erst möglich, wenn die externen Kollegen namentlich feststehen. Es müssen Accounts angelegt werden, E-Mail-Adressen, Zugänge zum Tickettool, der Wissensdatenbank, weiteren Supporttools, ggf. müssen Sie bestehende Konzepte zur Security anpassen und die eingesetzten Systeme auf Mandantenfähigkeit testen. Arbeiten Sie zum Beispiel mit einer Softwareverteilung, ist es gut, wenn eingeschränkte Aufgaben, wie die Re-Installation einer Software, schon an der Hotline erledigt werden können. Schlecht ist dagegen, wenn einem Hotlinemitarbeiter gekündigt wird, der über so weitreichende Berechtigungen verfügt, dass er als Abschiedsgruß am letzten Arbeitstag das Betriebssystem für die Rechner eines kompletten Standortes auf Re-Install stellt.
Stimmen Sie sich mit dem Partner ab, ob von dessen Seite Schulungen erfolgen und wann Sie mit dem Wissenstransfer starten können. Kommunizieren Sie offen darüber, welche Inhalte von wem vermittelt werden, um Dopplungen zu vermeiden und mögliche Wissenslücken zu reduzieren.
Teamwork
Versuchen Sie von Beginn an, die Externen nicht als Dienstleister zu behandeln, sondern als Kollegen an einem entfernten Standort, denn trotz des vertraglichen Verhältnisses arbeiten Sie immerhin an einem gemeinsamen Ziel – dem IT Support Ihrer Anwender. Lassen Sie somit auch in Richtung Ihrer IT-Abteilung nie Zweifel daran aufkommen und unterstützen Sie die Mitarbeiter am Helpdesk, so gut es Ihnen möglich ist.
Shadowphase
Besonders sinnvoll ist ein sanfter Übergang, eine sogenannte Shadowphase von vier bis sechs Wochen. Der neue Helpdesk kann zum Beispiel für die ersten vier Wochen alle Tickets bearbeiten, die über Weboberfläche oder E-Mail reinkommen, die Anrufe werden weiterhin in Ihrer IT angenommen. Auf dem Weg haben die neuen Kollegen Zeit, das frisch erlernte Wissen zu testen und notfalls in aller Ruhe nach dem richtigen Lösungsweg zu schauen, während am Telefon weniger Bedenkzeit bleiben würde. Die folgenden drei Wochen kann es dann umgekehrt ablaufen, der externe Telefonsupport beginnt, und Ihr Team unterstützt noch bei den Tickets, die nicht per Telefon erstellt werden.

8 Das erste Quartal

Flexibilität am Anfang
Je flexibler und verständnisvoller Sie sich zu Beginn der Partnerschaft zeigen, desto nachhaltiger wird der Erfolg der Beziehung sein. Sprechen Sie mit Ihrem Konterpart aufseiten des Partners offen über kurzfristige Maßnahmen, da diese immer nur gemeinsam erfolgreich umgesetzt werden können.
Beispiel
Im ersten Quartal kann es durchaus sinnvoll sein, die Mitarbeiter des neuen Partners erst im Sinne von Spezialisten einzusetzen und später zu Generalisten zu entwickeln. Sie können Themenfelder vorschlagen und aus der Erfahrung der Schulungen mit den Hotlinekollegen auch Personen identifizieren, die sich in speziellen Themengebieten besonders hervorgetan haben. Wichtig ist jedoch zu beachten, dass Sie nicht deren Vorgesetzter sind und somit das letzte Wort dem Teamleiter des externen Partners gebührt.
Erst Spezialisierung
Generell führt eine starke Spezialisierung zu Beginn zu einer schnellen Bearbeitung und Klarheit bei den neuen Kollegen. Kommen Anfragen zum Thema VPN oder WLAN, gibt man diese Tickets Kollege XY, weil er sich damit besonders gut auskennt. Die Tickets werden auch deshalb schneller bearbeitet, weil jeder einzelne Mitarbeiter in einem sehr engen Themenfeld agiert und nicht ständig geistig flexibel von einem Thema ins andere springen muss.
Dann Generalisierung
Es ist aber ebenso wichtig, zum richtigen Zeitpunkt aus diesen Spezialisten Generalisten werden zu lassen, damit Tickets nicht immer erst über zwei bis drei oder mehr Bearbeiter laufen müssen, bis sie abgeschlossen werden können, und das Risiko beim ungeplanten Ausfall einzelner Kollegen minimiert wird. Gemessen werden kann diese Veränderung zum Beispiel über den KPI „Ticketshops”, der Teil des KPI-Dashboards ist (s. Kap. 03486, Abschnitt 4).
Ein weiterer wichtiger Erfolgsfaktor für das Outsourcing des SPoCs ist die Arbeit im eigenen Team.
Zweifeln begegnen
Gerade weil es aus anderen Unternehmen zahlreiche Negativbeispiele für die Auslagerung der IT-Hotline gibt, wird die Skepsis in Ihrer Organisation sehr groß sein. Zwar haben Sie die Logik dieses Schritts über Workshops mit Ihrem Team herausgearbeitet und gemeinsam beschlossen, trotzdem werden auch Ihre Mitarbeiter die neuen Kollegen argwöhnisch betrachten und deren Arbeitsergebnisse kritisch beurteilen. Erinnern Sie immer wieder an den Mehrwert einer zentralen Hotline, die längeren Öffnungszeiten, die Mehrsprachigkeit, die Erstlösungsmöglichkeit, die Chance, Großstörungen zu erkennen, wenn alle Informationen an einem Ort zusammenlaufen usw.
Überzeugen und Akzeptanz erhöhen
Verbieten Sie Kritikern in den eigenen Reihen nicht den Mund, sondern überzeugen Sie mit diesen Mehrwerten und wiederholen Sie mantraartig diese Argumente wieder und wieder. Denn nur wenn die eigenen IT-Kollegen den Sinn und Zweck dieser Maßnahmen verstehen und verinnerlicht haben, werden sie dies auch den Anwendern im Unternehmen verkaufen können und hinter dieser Maßnahme stehen. Lassen Sie auch dafür eine Zeit der Umgewöhnung zu, in der die internen Kunden noch den Weg zum Support im Haus suchen. Diese Kunden sollten nicht strikt abgewiesen werden, stattdessen sollten die Kollegen fragen, ob man schon einen Anruf bei der Hotline versucht hat, und dann gemeinsam die Hotlinenummer wählen und den Kunden im Beisein des IT-Supports ein Ticket eröffnen lassen. Dies kann in den ersten Wochen dann vorrangig behandelt werden, aber über eine solche Lernphase wird ein sanfter Übergang möglich und die Akzeptanz von allen Seiten deutlich erhöht.

9 Die zarte Pflanze Partnerschaft

Wie bereits erwähnt: Vertragswerk ist eine schriftliche Basis der Zusammenarbeit, aber sobald man am Punkt ist, über das Vertragswerk zu streiten, ist alles so gut wie verloren. Es mag esoterisch klingen, für Offenheit zu plädieren und in einem Auftraggeber-Auftragnehmer-Verhältnis von Geben und Nehmen zu sprechen, tatsächlich ist es aber ökonomisch.
Auf Zusammenarbeit setzen
Ein oben beschriebenes Transitionsprojekt von Minimum sechs Monaten kostet viel Zeit und Energie und fordert in der Realität auch mindestens ein weiteres Quartal lang viel Kraft aller Beteiligten. Aus diesem Grund ist es einfach energieeffizient, wenn an manchen Stellen mal ein Auge zugedrückt wird, damit die Zusammenarbeit langfristig läuft. Je kürzer die Laufzeit einer solchen Partnerschaft ist, desto teurer wird es nicht nur für Ihr Unternehmen, sondern desto unzufriedener werden auch die Anwender, weil bei jedem Dienstleisterwechsel ein Qualitätseinschnitt zum Start bemerkbar sein wird und solche Serviceschwankungen nie unkommentiert bleiben.
Austausch fördern
Sorgen Sie auch für einen guten, professionellen und kollegialen Austausch zwischen den externen Kollegen und der eigenen IT, vielleicht sogar zum Start über Austauschprogramme, bei denen mal ein Kollege ein bis zwei Wochen am Helpdesk mitarbeitet und andersherum ein Hotlinemitarbeiter Ihrem Second Level Service über die Schulter sieht. Sollte Disharmonie zwischen diesen beiden Gruppen bestehen, sind die Kollegen vom SPoC schnell demotiviert, weil sie von beiden Seiten Prügel einstecken, vom gefrusteten Kunden und vom genervten IT-Kollegen. Stattdessen sollte darauf hingearbeitet werden, dass die Partnerschaft im besten Fall so positiv läuft, dass den externen Helpdeskmitarbeitern eine Identifikation mit Ihrem Unternehmen gelingt.
Nicht immer auf Vertrag beharren
In der Folge führt dies zu erhöhter Fluktuation am Helpdesk, ständigem Aufwand für die Einarbeitung neuer Kollegen und somit erneutem Frust in Ihrer Abteilung. Sparen Sie sich diesen Ärger, indem Sie nicht in jedem Moment auf den Vertrag pochen.

10 Nach dem Projekt ist Verbesserung angesagt

Regelbetrieb einleiten
Die Transition von der internen Hotline zum externen SPoC ist abgeschlossen, das Transformationsprojekt der eigenen IT sehr weit gereift. Zwar können nun nicht die Füße hochgelegt werden, aber es ist Zeit für den Regelbetrieb.
Nun kommen die Rollen und Prozesse zum Tragen, die Sie in den vorher beschriebenen Schritten mühsam etabliert haben. Dabei hervorzuheben ist besonders die Relevanz der etablierten Key Performance Indicators (KPIs) (s. a. Kap. 03486, Abschnitt 4) und des Service Managers.
Bedeutung der KPIs
Die KPIs helfen Ihnen in mehrere Richtungen. Sie schaffen einen Überblick der Entwicklung über einen langen Zeitraum hinweg. Gleichzeitig helfen Sie bei der Steuerung des externen Dienstleisters und der Definition kurzfristiger Maßnahmen, um dort Qualität zu steigern und zu sichern. Zu guter Letzt sind die KPIs das Werkzeug, das einem Service Manager bei der Objektivierung von emotionalen Diskussionen hilft.
Bedeutung Service Manager
Je größer die Organisation, desto mehr Service Manager wird es geben, zum Start gibt es häufig einen Service Manager „Helpdesk”, der mit allen Themen rund um das Handling von Störungen und Anfragen betraut ist und damit weitreichende Aufgaben und Verantwortung übernimmt. Er ist somit der Hauptverantwortliche für den externen SPoC und gleicht sich regelmäßig mit dem Operationsmanager des externen Partners ab. Er ist aber auch für die Prozessabläufe der internen IT-Mitarbeiter verantwortlich, daher ist er eine wichtige organisatorische Eskalationsinstanz und kommt immer wieder in die Situation, emotionale Kunden „einfangen” zu müssen, Verständnis zu zeigen und einen gemeinsamen Weg aus der Unzufriedenheit zu finden. Richtig angewendet, können Zahlen helfen, die Situation zu versachlichen. Falsch angewendet, kann dies die Fronten auch verhärten, denn ein Kunde, bei dem alles schiefläuft, interessiert sich nicht für die 99 % der Fälle, die sensationell gut abgewickelt werden.
Der Service Manager verfügt somit über ein großes Ausmaß an Informationen und ist neben den Kollegen aus dem Support der beste Ideengeber für Verbesserungen von innen heraus.
CSI
Continual Service Improvement (CSI) ist eine ITIL-Phase, die immer als selbstverständlich betrachtet und gleichzeitig nie wirklich gelebt wird. Viele der Bemühungen, die in das Transformationsprojekt geflossen sind, werden vernichtet, wenn im Regelbetrieb kein Wille oder keine Zeit gegeben ist, um den angebotenen Service stetig zu verbessern. Führen Sie sich stets das Kano-Modell vor Augen (s. a. Kap. 03486, Abschnitt 2) und erinnern Sie sich damit an die Notwendigkeit, Stillstand zu vermeiden.
Vernetzung
Bleiben Sie nah am Kunden, rufen Sie Support-Mitarbeiter, Service Manager, Business Relationship Manager, Change Manager und auch Kundenvertreter regelmäßig zusammen und sprechen Sie über Serviceverfügbarkeiten, angedachte Änderungen und Verbesserungen und setzen Sie diese konsequent um.

11 Fazit

Tipp
Der Weg ist lang, teils unbequem und erfordert viel Geduld, Durchhaltevermögen und einen klaren Blick auf das Ziel. Der kulturelle Wandel ist kritischer Erfolgsfaktor für den Weg zur Professionalisierung des Service Desks; planen Sie regelmäßig ausreichend Zeit ein und verlieren Sie sich nicht in technischen und organisatorischen Themen, auch wenn der Alltag dazu verlockt.
Wie so oft steckt der Teufel im Detail; es gibt viele mögliche Stolpersteine, lassen Sie sich davon aber nicht abschrecken. Es ist machbar, es ist sinnvoll und wichtig, die IT-Abteilung zu transformieren, um die eigene Relevanz zu behalten und Schatten-IT zu vermeiden.
Trauen Sie sich selbst und gestatten Sie Ihrem Team, Fehler zu machen und daraus zu lernen. Planen Sie Rückschläge ein. Die Belohnung wird umso größer sein.
 

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