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03010 ITIL 4 – das Framework in Zeiten der Digitalisierung und agiler Organisationen

Die ITIL-4-Version [1] ist offiziell im Februar 2019 erschienen – sie gibt eine Antwort darauf, welche Praktiken in Zeiten der Digitalisierung und agiler Organisationen in Privatunternehmen und öffentlichen Verwaltungen eingeführt werden sollten.
Der Beitrag gibt einen Überblick über die vierte Auflage der IT Infrastructure Library sowie über die Entwicklungsgeschichte von den Anfängen bis heute. Aus der Version 4 werden insbesondere das ITIL-Service-Value-System und das ITIL-Modell der Praktiken dargestellt. Abgerundet wird der Beitrag durch die Darstellung der Unterschiede zwischen ITIL 4 und ihrem Vorgänger, der ITIL Edition 2011. Inhaltlich basiert der Beitrag auf der ITIL-4-Foundation-Publikation [2].
Arbeitshilfen:
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1 Einführung

Mehrwert durch ITSM
Dienstleistungen bilden laut der WTO die größte und dynamischste Komponente der Wirtschaft sowohl in Industrie- als auch in Entwicklungsländern. Die technologische Entwicklung der letzten Jahrzehnte hat dazu geführt, dass heutzutage beinahe alle produzierten Güter IT-fähig sind und Dienstleistungen IT-gestützt erbracht werden. Dies führt dazu, dass ein effektives und effizientes IT-Service-Management den Organisationen einen bedeutenden Mehrwert liefern kann.
Zudem können Organisationen ihre Arbeitsweisen durch jüngste technologische Entwicklungen, etwa Cloud Computing, Infrastruktur als Service (IaaS) und Blockchain-Technologien, grundlegend ändern, um so einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen. Die Tragweite solcher Entscheidungen führt jedoch dazu, dass die Bedeutung des IT-Service-Managements steigt und einen immer stärker strategischen Fokus einnimmt.
Herausforderungen
Die Anforderungen an IT-Services wandeln sich fortlaufend, und die Zyklen, in denen Anforderungen ermittelt, umgesetzt und überarbeitet werden müssen, verkürzen sich zusehends. In der Entwicklung von IT-Services spiegelt sich dies schon länger durch Ansätze wie DevOps und Agilität wider. Diese Ansätze werden sukzessive auch in anderen Unternehmensbereichen angewandt bzw. für diese angepasst, um sich der Herausforderung der sich schnell ändernden Märkte zu stellen und bestehen zu können. So erfreuen sich bspw. funktionsübergreifende Teams steigender Beliebtheit, um Silos in Organisationen abbauen zu können.
Warum ITIL 4?
Anpassungen an moderne Technologien und Arbeitsweisen, die mit diesen Veränderungen einhergegangen sind, haben Unternehmen grundlegend verändert. Cloud Computing sorgt bspw. dafür, dass Verantwortung für Rechenzentren und ihr Betrieb sowie ihre Überwachung, von einem Provider auf externe Dienstleister übertragen wurden. ITIL Edition 2011 hat diese neuen Strukturen und die ihnen innewohnende Dynamik nicht mehr hinreichend unterstützt. Ihr fehlte der Blick für die gemeinschaftliche Mehrwertgenerierung, die durch die beschriebenen technologischen Entwicklungen mittlerweile zum Alltag gehört. Die damit einhergehenden strategischen Auswirkungen auf eine gesamte Organisation und deren Arbeitsweisen in der digitalisierten Welt wurden ebenfalls nicht durch einen ganzheitlichen Ansatz getragen.
Reaktion auf die Entwicklungen
ITIL 4 reagiert auf diese Entwicklungen. Viele der bekannten ITSM-Praktiken wurden angepasst, um den organisatorischen Anforderungen an Lean Management, Agilität und DevOps gerecht zu werden. ITIL 4 wird der strategischen Bedeutung des IT-Service-Managements für die gesamte Organisation gerecht und bringt es auf eine Ebene, dass es im Best-Practice-Sinn eine Hilfestellung leistet, den Anforderungen der 4. Industriellen Revolution gerecht zu werden. Es bietet eine praktische und flexible Grundlage, um Organisationen in einer hoch technologisierten Welt zu unterstützen und eine flexible Serviceerbringung zu ermöglichen. Besonderes Augenmerk legt ITIL 4 auf die gemeinsame Wertschöpfung durch Service-Provider und Service-Konsumenten (Value Co-Creation) in Wertströmen (Value Streams) und auf das Kundenerlebnis.
Geschichte und Entwicklung
ITIL wurde ab der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre von der Central Computing and Telecommunications Agency (CCTA) entwickelt. Die CCTA ging 2000 im Office of Government Commerce (OGC) auf, das 2010 in die Efficiency and Reform Group des Cabinet Office eingegliedert wurde. Da es sich bei der CCTA und ihren Nachfolgern um britische Regierungsbehörden handelt, hat ITIL den Vorteil, herstellerneutral zu sein. Auf der anderen Seite sorgt dies jedoch auch dafür, dass das Thema IT-Service-Management auf einer akademischen Ebene behandelt wird und die Prozesse recht komplex gestaltet sind. Gerade kleine und mittelständische Unternehmen sehen dies in der Praxis häufig als hinderlich an. Seit 2013 hält AXELOS die Rechte an ITIL [3]. Dabei handelt es sich um ein Joint Venture der Capita plc (51 % der Anteile) und des Cabinet Office (49 % der Anteile).
Über vier Stationen zu ITIL 4
Den Anstoß zur Sammlung von Standards lieferten Zweifel an der Effizienz des IT-Einsatzes (durch externe Dienstleister) in britischen Regierungsbehörden. Dies wurde besonders auf das Fehlen von Verfahrensstandards zurückgeführt. Um Qualität, Sicherheit und Wirtschaftlichkeit der IT steuerbar zu machen, sollte die CCTA daher erfolgreiche Verfahren dokumentieren und vereinheitlichen. Zwischen 1989 und 1998 wurden insgesamt 42 verschiedene Bücher veröffentlicht, die später als ITIL Version 1 bezeichnet wurden. Von 1999 bis 2003 folgten die konsolidierten Publikationen der Version 2, in denen mit Service Delivery und Service Support der Blick auf IT-Prozesse und die Beziehung zwischen Kunde, IT Service Provider und Zulieferer gerichtet wurde. Der Gedanke eines ganzheitlichen IT-Service-Managements hielt damit erstmals Einzug und die Zahl der Publikationen wurde auf acht reduziert. ITIL V3 wurde am 1. Juni 2007 veröffentlicht und betrachtet die Bereitstellung von Services als kontinuierlichen Prozess in einem Servicelebenszyklus. Die Bedürfnisse der Kunden initiieren die Erstellung/Anpassung von Services, was die strategischen Überlegungen der IT in die Mitte des Servicelebenszyklus stellt und auch die IT selbst als Funktion mit strategischer Bedeutung in Unternehmen platziert. Prozesse des IT-Service-Managements wurden einer von nun fünf Publikationen zum Servicelebenszyklus zugeordnet. 2005 wurde mit der ISO/IEC 20000:2005 ein ITIL-orientiertes Zertifizierungsmodell für Organisationen geschaffen und im Jahr 2011 aktualisiert. Am 29. Juli 2011 wurde unter dem Titel ITIL 2011 Edition eine Aktualisierung publiziert, die aber inhaltlich keine grundlegenden Änderungen enthielt. Am 18. Februar 2019 wurde mit ITIL 4 die neueste Version der IT Infrastructure Library veröffentlicht [4].

2 Das ITIL-Service-Value-System

Werte erzeugen
Der Zweck einer jeden Organisation besteht in der Erzeugung eines Wertes, ITIL 4 spricht von Value. Erzeugt eine Organisation mit ihren Services keinen Value, wird sie auf lange Sicht nicht am Markt bestehen können. Dieses Konzept bildet den Kerngedanken von ITIL 4. Daher tritt der Servicelebenszyklus der ITIL Version 3 in den Hintergrund und wird durch das ITIL-Service-Value-System (SVS) von ITIL 4 ersetzt.

2.1 Das SVS Big Picture

Das SVS erleichtert die Integration und Koordination verschiedener organisatorischer Komponenten und Aktivitäten und bietet eine wertorientierte Ausrichtung für Organisationen. Es beantwortet die Frage: „Wie kann ich fortlaufend Value erzeugen, und was muss ich dabei beachten?” Das SVS ermöglicht mit diesem Ansatz den Aufbau eines ganzheitlichen Service-Managements.
Service- Management
Service-Management ist definiert als eine Reihe von spezialisierten organisatorischen Fähigkeiten, um Kunden einen Mehrwert (Value) in Form von Services zu bieten.
Um diese spezialisierten organisatorischen Fähigkeiten aufbauen zu können, muss sich eine Organisation allerdings darüber im Klaren sein,
was Value ist und was seine Besonderheiten sind,
wer die Stakeholder sind, welchen Wirkungsbereich sie haben und
wie Services die Erzeugung von Value überhaupt erst ermöglichen.
Der angepasste Ausschnitt aus dem Big Picture des ITIL-Service-Value-Systems in Abbildung 1 vermittelt eine erste Übersicht über die Grundgedanken, die Einflussgrößen und Zusammenhänge der SVS-Komponenten. Die vollständige Abbildung ist als eigenständiges PDF zum Download hinterlegt. Es unterstützt die Anwender bei der Beantwortung der zentralen Fragen des Service-Managements und hilft Organisationen somit, die benötigten organisatorischen Fähigkeiten aufzubauen, um Value zu erzeugen.[ 03010_a.pdf]
Abb. 1: ITIL-Service-Value-System als Big Picture [5]
Opportunity/Demand/Value
Chancen und Nachfrage (Opportunity/Demand) bilden den Anstoß für die Handlungen einer Organisation, die als Ergebnis Wert (Value) für ihre Stakeholder ermöglichen. Value wird stets subjektiv wahrgenommen, weswegen verschiedene Stakeholder unterschieden werden müssen. Die offensichtlichen Stakeholder sind Kunden, Benutzer und Sponsoren.
Stakeholder
Kunde:  
Definiert die Anforderungen an Services und übernimmt die Verantwortung für das Ergebnis, das Benutzer erzielen, wenn sie den Service konsumieren.
Benutzer:  
Nutzt die Services.
Sponsor:  
Gibt das Budget für den Servicekonsum frei.
Kunden
Kunden können bspw. die IT-Abteilung oder der CIO eines Unternehmens sein, die die Anforderungen an einen Service definieren und dessen Performance überwachen. Sponsor ist der CFO, der die Kosten für einen (Rahmen-)Vertrag freigibt.
Benutzer
Benutzer sind schließlich alle Mitarbeiter eines Unternehmens, die den Service konsumieren.
Servicekonsumenten
Kunden, Benutzer und Sponsoren werden unter der Bezeichnung Servicekonsumenten zusammengefasst. Auch wenn die Anforderungen durch den Kunden an den Provider getragen werden, haben alle Konsumenten, wie auch andere Stakeholder, ihr eigenes Verständnis davon, was Value ausmacht. Daher sollte eine Organisation immer auch Partner und Lieferanten, eigene Mitarbeiter, Shareholder, Regierungsorganisationen sowie soziale Gruppen berücksichtigen. Denn selbst wenn diese mit dem Service einer Organisation keine direkte Berührung haben, kann dieser sie dennoch beeinflussen, oder sie beeinflussen den Service. Shareholder aus finanzieller Sicht, soziale Gruppen können durch negative Auswirkungen eines Service (z. B. Umweltschäden) beeinflusst werden, und Regierungsorganisationen können durch Gesetze Regeln auferlegen, die beachtet werden müssen.
Neue Sichtweise
Die Berücksichtigung der Stakeholder, besonders der Servicekonsumenten, wird durch das Konzept der Value Co-Creation in ITIL 4 manifestiert. In der Vergangenheit sahen Unternehmen ihre Rolle in der Wertschöpfung für ihre Kunden häufig in der Art und Weise, wie ein Paket von einem Spediteur an eine Adresse geliefert wird. Diese Sichtweise behandelte die Beziehung zwischen dem Dienstleister und dem Servicekonsumenten monodirektional und distanziert. In dieser Sicht spielten die Konsumenten in der Erzeugung von Value für sich selbst keine Rolle. Diese Sicht spiegelt jedoch die heute existierenden, komplexen Servicebeziehungen nicht mehr wider.
Value Co-Creation
Immer mehr Organisationen verstehen, dass Value durch eine aktive Zusammenarbeit zwischen Provider und Konsumenten sowie anderen Organisationen, die Teil der jeweiligen Beziehung sind, geschaffen wird. ITIL 4 betont daher den Aufbau von interaktiven Beziehungen, die gegenseitigen Nutzen ermöglichen. Darüber können Provider die kontinuierliche Verbesserung ihrer Services und der gesamten Organisation sicherstellen. Konsumenten werden im Gegenzug in die Pflicht genommen, sich aktiv einzubringen, Services in Anspruch zu nehmen und an der Erzeugung von Value teilzunehmen. Sie erhalten dafür Services, die ihren Erwartungen entsprechen und ihnen einen größeren Mehrwert bieten.
Interaktion erzeugt Value
Ein Paket wird daher, dem vorherigen Gedanken folgend, heute nicht mehr bloß bei seinem Empfänger abgeliefert. Neben Telefonhotlines haben die Konsumenten mittlerweile über Websites und Apps die Möglichkeit, sich in die Value Creation einzubringen und für sich und den Provider einen Mehrwert zu erzeugen. Durch Interaktion teilt der Konsument dem Provider bspw. mit, dass er das Paket an einem anderen Tag als dem geplanten erhalten möchte oder dass das Paket abgelegt werden kann. Mit dieser Interaktion erzeugt der Konsument Value für sich selbst, da er weiß, dass das Paket an einem bestimmten Tag geliefert wird und er sich um nichts weiter kümmern muss. Zugleich erzeugt er Value für den Provider, da dieser seine Ressourcen optimal einsetzen kann und Planungssicherheit hat. Dank der Möglichkeit, Feedback zu geben, kann der Konsument zudem zu einer kontinuierlichen Verbesserung des Service beitragen. Value wird also gemeinsam in einer aktiven Zusammenarbeit zwischen Providern und Konsumenten sowie anderen Organisationen erzeugt. Dadurch entstehen teils langfristige Servicebeziehungen.
Verbesserung durch langfristige Servicebeziehung
Das Beispiel des Paketdienstes hat gegebenenfalls nur eine einmalige Servicebeziehung dargestellt. Die Kontinuität der Value Co-Creation durch die Tätigkeiten der Bereitstellung und des Konsums in einer andauernden Servicebeziehung wird deutlich, wenn man sich das Angebot eines Flottenmanagements vorstellt. Dabei schließen zwei Organisationen (Provider und Konsument) einen langfristigen Vertrag ab. Der Provider muss seine Ressourcen (Fahrzeuge, Servicepersonal etc.) managen und bereitstellen, sodass der Benutzer auf sie zugreifen und den Service in Anspruch nehmen kann. Während für den Benutzer durch Erhalt eines Fahrzeugs offensichtlich schon ein Value erzeugt wird, kann auch für den Provider durch Feedback zum Buchungs- und Bereitstellungsprozess, im Sinne einer kontinuierlichen Verbesserung, Value erzeugt werden. Nach Rückgabe wird erneut Feedback vom Benutzer zum Fahrzeug und dem gesamten Prozess eingeholt, um Zufriedenheit und Verbesserungspotenzial zu ermitteln. Sollte sich dabei bspw. herausstellen, dass die Sauberkeit der Fahrzeuge oder der Fahrkomfort nicht zufriedenstellend ist, muss der Provider prüfen, ob dies den vereinbarten Anforderungen an den Service entspricht und er aktiv handeln muss. Sollte dieser Zustand den Anforderungen an den Service entsprechen, kann er auf den Kunden zugehen und mit diesem eine Anpassung der Anforderungen besprechen. Darüber hinaus können noch Services wie Schadensregulierung oder Pannenhilfe angeboten werden, die Benutzer bei Bedarf in Anspruch nehmen können, um einen Value zu erzeugen. Alle angebotenen Services und die erbringenden Prozesse können in der langfristigen Beziehung durch ständiges Feedback und Überprüfung fortlaufend verbessert werden, um den erreichten Value für beide Seiten zu erhöhen.
Service Value Chain (SVC)
Das zentrale Element zur gemeinsamen Erzeugung von Value stellt die Service Value Chain (SVC) dar, deren Aktivitäten je nach zu erzeugendem Output bzw. zu erreichendem Outcome miteinander in Verbindung stehen und gemeinsam ausgeführt werden. Dazu werden Kombinationen von Aktivitäten der SVC und Praktiken zu Value Streams zusammengesetzt, die jeweils spezifische Inputs und Outputs der einzelnen Aktivitäten sowie des gesamten Value Stream erwarten. Die SVC, ihre Aktivitäten und Value Streams werden im weiteren Verlauf näher beschrieben (s. Abschnitt 2.3).
Output/Outcome
Über die Aktivitäten der SVC werden Produkte und Services zur Verfügung gestellt. Das Ziel von Provider und Konsument ist Value Co-Creation, das Mittel dazu stellt der Service dar. So werden Outcomes (Ergebnisse) ermöglicht, die Kunden erreichen wollen. Ein Outcome ist das Ergebnis, das ein Stakeholder durch einen oder mehrere Outputs erzielen kann. Ein Output ist das Ergebnis einer Aktivität, das materiell oder immateriell sein kann. So ist z. B. der Output eines Serviceangebots einer Fluglinie der Transport eines Passagiers von Berlin nach München. Der Outcome ist, dass der Passagier in München ist und dort einer Geschäftsbeziehung nachgehen kann. In diesem Beispiel ist der Fluggast übrigens in seiner Rolle des Konsumenten gleichzeitig als Kunde, Benutzer und Sponsor aufgetreten.
Serviceangebot
Der angebotene Flug von Berlin nach München stellt ein Serviceangebot dar, das der Fluggast angenommen hat. Das Serviceangebot beschreibt einen Service, der aus Waren (Getränke), Zugang zu Ressourcen (verschiedene Platzkategorien, In-flight Entertainment) und Serviceaktionen durch den Provider (Check-in, Bordservice) besteht. Diese können angeboten werden, indem die Fluglinie die ihr zur Verfügung stehenden Ressourcen (Flugzeuge, Flughafeninfrastruktur, Besatzungs- und Bodenpersonal) zu einem Produkt (Personenbeförderung) zusammenfasst.
Servicebeziehung
Nimmt ein Fluggast (Konsument) das Serviceangebot einer Fluglinie (Provider) in Anspruch, geht er eine Servicebeziehung (Service Relationship) mit ihr ein. Servicebeziehungen zwischen Organisationen sind in der Regel langfristiger Natur und müssen daher verwaltet werden. Service Relationship Management besteht aus gemeinsamen Aktivitäten eines Serviceproviders und -konsumenten, um kontinuierliche Value Co-Creation auf der Grundlage vereinbarter und verfügbarer Serviceangebote zu gewährleisten:
Ausgleich der Effekte
Servicebeziehungen können nur als wertvoll oder wertstiftend wahrgenommen werden, wenn die positiven die negativen Effekte überwiegen. Der Konsument muss abwägen, ob die Outputs der Aktivitäten eines Providers den Outcome ermöglichen, den er sich wünscht, und ob dies zu vertretbaren Kosten und Risiken geschieht. Kosten beziehen sich dabei auf den Betrag, der für eine bestimmte Aktivität oder Ressource ausgegeben wird. Dem Konsumenten werden durch den Service Kosten auferlegt, einschließlich Gebühren des Dienstleisters. Auf der anderen Seite spart der Konsument durch den Service aber auch Kosten ein, da er die Alternative zum Service nicht finanzieren muss. Risiken beziehen sich auf mögliche Ereignisse, die zu Schäden oder Verlusten führen. Durch den Service werden dem Konsumenten potenziell Risiken auferlegt. Auf der anderen Seite werden Risiken für den Konsumenten beseitigt oder reduziert.
Beispiel Cloud Computing
Dies lässt sich an den Technologien im Bereich Cloud Computing veranschaulichen. Steht eine Organisation vor der Entscheidung, Laufzeitumgebungen zur Softwareentwicklung nicht mehr selbst zu betreiben, sondern über einen externen Dienstleister zu beziehen, fallen neue Kosten für die Leistung des Dienstleisters an. Es werden aber auch gleichzeitig Kosten durch diesen Service eingespart: Der Kunde muss keine physischen Server mehr betreiben und kann die Räume anderweitig nutzen, er spart Strom ein und das Personal, das früher den Betrieb und die Wartung durchgeführt hat, kann anderweitig eingesetzt werden. Während der Kunde beim Risiko meist Sicherheitsfragen betrachtet und ihn Themen des Datenschutzes beschäftigen, verringert er sein Risiko durch die meist redundanten Architekturen vor allem in Bezug auf die Verfügbarkeit der Umgebungen bzw. die Wiederherstellbarkeit der Daten. Neben Kosten und Risiko muss beim Cloud Computing zudem der Nutzen berücksichtigt werden, dass die Lösungen skalierbar sind und dem Kunden somit eine Flexibilität bieten, die bisher nicht möglich war.
Utility und Warranty
Um letztlich zu bestimmen, ob ein Service oder ein Serviceangebot die Outcomes ermöglicht, die ein Kunde erwartet, und dadurch tatsächlich Value erzeugt, müssen Utility und Warranty des Service ermittelt werden. Dabei müssen auch die Auswirkungen von Kosten und Risiken auf Utility und Warranty berücksichtigt werden, um ein umfassendes Bild eines Service zu ermöglichen.
Utility: Die Funktionalität, die ein Produkt oder ein Service bietet, um seine Anforderungen zu erfüllen. Kann verwendet werden, um festzustellen, ob ein Service „fit for purpose” ist, also was der Service leistet und ob er damit seinen Zweck erfüllt.
Warranty: Die Sicherheit, dass ein Produkt oder Service vereinbarte Anforderungen erfüllt. Kann verwendet werden, um festzustellen, ob ein Service „fit for use” ist, also ob ein Service verfügbar ist und so funktioniert wie vereinbart.
Beispiel
Im Sinne der Value Co-Creation ist es notwendig, dass langfristige Servicebeziehungen aufgebaut werden, in denen Provider und Konsumenten zusammenarbeiten und sich über die Bedürfnisse beider Seiten im Klaren sind. Utility und Warranty nehmen dabei eine zentrale Rolle ein und werden durch die Kosten und Risiken beeinflusst. Im Beispiel eines Unternehmens, das Pläne zur Nutzung eines externen Partners für das Flottenmanagement hat, müssen die Kosten, die entstehen, abgewogen werden gegen die Kosten, die das Unternehmen einspart. Gleiches gilt für das Risiko: Entscheidet man sich für einen Partner, der seinen Service zu einem geringen Preis anbieten, kann die Utility darunter leiden insofern, als Autos mit geringem Fahrkomfort angeboten werden. Dies hat einen negativen Einfluss auf die Benutzer und deren wahrgenommenen Value des Service. Zudem kann die Warranty beeinträchtigt werden, weil der günstige Anbieter seine Fahrzeuge nicht in regelmäßigen Abständen wartet und diese daher häufig nicht verfügbar sind oder Pannen haben. Die Kosten, die der Konsument eingespart hat, stehen also eventuell nicht im Verhältnis zu dem Risiko, dem er sich aussetzt.
Bei der Beantwortung der oben aufgeführten Fragen sind vier Dimensionen des Service-Managements (s. Abschnitt 2.2) und deren externe Einflussfaktoren zu berücksichtigen. Sie sind entscheidend, um Value effektiv und effizient erzeugen zu können. Erst durch ihre Berücksichtigung kann Service-Management einem ganzheitlichen Ansatz folgen und Prozesse werden so designt, dass sie tatsächlich vorteilhaft sind. Dabei bilden die ITIL Guiding Principles wichtige Empfehlungen, die eine Organisation leiten können (s. Abschnitt 2.4).
Für Teile oder die gesamte Organisation
All diese Hilfsmittel können angewendet werden, unabhängig davon, auf welchem Level das SVS eingesetzt wird: egal ob für eine gesamte Organisation oder nur einige Produkte oder Abteilungen. Ein ganzheitlicher Ansatz setzt voraus, dass diese Beziehungen untereinander berücksichtigt werden. Wenn das SVS nicht für die gesamte Organisation berücksichtigt wird, müssen die Restriktionen der Organisation, die von oben einwirken, dementsprechend beachtet werden.
Das gesamte System unterliegt der kontinuierlichen Verbesserung, die auf allen Ebenen einer Organisation durchzuführen ist. Ihr Ziel ist es sicherzustellen, dass die Handlungen einer Organisation kontinuierlich den Erwartungen ihrer Stakeholder entsprechen.
Zusammenfassung
Das SVS beschreibt, wie alle Komponenten und Aktivitäten einer Organisation als System zusammenwirken, um die Erzeugung von Value zu ermöglichen. Es bildet somit die Grundlage für ein ganzheitliches Service-Management. Input für das SVS bilden Nachfrage (Demand) und Chancen (Opportunity). Chancen stellen Möglichkeiten dar, zusätzlichen Wert für Stakeholder zu schaffen oder die eigene Organisation zu verbessern. Nachfrage ist der Bedarf an Services oder Produkten durch Benutzer. Der Output des SVS ist der Value, den die Benutzer daraus ziehen. Das SVS jeder Organisation hat Schnittstellen zu anderen Organisationen, was Value für diese Organisationen, deren Kunden und andere Stakeholder ermöglichen kann. ITIL wird durch das Service-Value-System in der Version 4 insgesamt flexibler und im agilen Umfeld leichter anwendbar.

2.2 Die vier Dimensionen des Service-Managements

Ganzheitlicher Ansatz
Um einen ganzheitlichen Ansatz für das Service-Management zu unterstützen, definiert ITIL vier Dimensionen (vgl. Abbildung 2). Diese sind gemeinsam entscheidend für eine effektive und effiziente Bereitstellung von Value für Kunden und andere Stakeholder in Form von Produkten und Services. Sie haben somit einen entscheidenden Einfluss auf alle Elemente des Service-Value-Systems.
Abb. 2: Vier Dimensionen des Service-Managements [5]
Organisationen & Personen
Rollen, Verantwortlichkeiten, hierarchische Systeme und Kommunikationsformen müssen klar definiert sein und die Gesamtstrategie und das Betriebsmodell unterstützen. Dafür ist auch die vorhandene Kultur der Organisation auf den Prüfstand zu stellen.
Informationen & Technologie
Enthält die für das Service-Management erforderlichen Informationen und Kenntnisse sowie die erforderlichen Technologien.
Partner & Lieferanten
Umfasst die Beziehungen einer Organisation zu anderen Organisationen, die an Design, Entwicklung, Bereitstellung, Lieferung, Support und/oder kontinuierlicher Verbesserung von Services beteiligt sind.
Value Streams & Prozesse
Wie die verschiedenen Teile einer Organisation integriert und koordiniert arbeiten, um Value durch Produkte und Services zu erzeugen.
Überschneidungen
Wie unschwer erkennbar ist, sind die Dimensionen nicht strikt voneinander getrennt, sondern haben Überschneidungen miteinander. Hat eine Organisation bspw. die Möglichkeit ermittelt, mit einem neuen Service Value zu erzeugen, stellt sich eine Vielzahl von Fragen, die direkten Bezug zu einer oder mehreren der vier Dimensionen haben:
Verfügen wir über die Teams und Mitarbeiter, die zur Erzeugung und Bereitstellung des Service notwendig sind?
Haben diese Mitarbeiter das benötigte Wissen und die Tools, um den Service zu erzeugen und ihn bereitzustellen?
Gibt es bereits Zusammenarbeitsmodelle, die die Erzeugung und die Bereitstellung des Service erlauben?
Gibt es andere Organisationen, von denen wir die Bereitstellung des Service oder einen Teil davon beziehen können?
Gerade Fragen zum Aufbau, der Arbeitsweise und der Kultur einer Organisation sind von zentraler Bedeutung, wenn Ansätze wie DevOps und Agilität in einem Unternehmen eingeführt und auch gelebt werden sollen, denn alle guten Vorsätze werden im Keim erstickt, wenn die Organisation ihnen im Weg steht.
Organisatorische Silos
Eines der größten Hindernisse für effektive und effiziente Arbeitsweisen und eine gemeinsame Vision können organisatorische Silos sein. Diese können in verschiedenen Arten und aus verschiedenen Gründen bestehen, z. B. weil ein Abteilungsleiter eine versteckte Agenda hat. Silos erschweren die Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen Teams und somit den Zugriff auf Informationen und spezialisiertes Wissen. So können aufgrund fehlender Sichtbarkeit z. B. häufig keine effektiven Entscheidungen über Veränderungen in der Organisation getroffen werden. Daraus können erhöhte Kosten und Risiken für die Organisation entstehen.
Das SVS ermöglicht organisatorische Flexibilität und hilft dabei, Silos abzubauen. Es hilft auch dabei, Prozesse zu implementieren, die sich durch einen hohen Grad an Austausch auszeichnen und somit die Effizienz der Arbeitsweisen und die Transparenz steigern. Kontinuierliche Verbesserung und die ITIL Guiding Principles helfen zudem dabei, flexibel auf neue Anforderungen zu reagieren und Silos innerhalb der Organisation abzubauen.
Externe Faktoren
Da Organisationen nicht im leeren Raum agieren, werden die vier Dimensionen durch mehrere externe Faktoren eingeschränkt oder beeinflusst, die oft außerhalb der Kontrolle des SVS liegen. Diese werden im sogenannten PESTLE-Modell beschrieben.
PESTLE-Modell
Die Abkürzung PESTLE steht dabei für:
Political
Politische Faktoren
Economical
Wirtschaftliche Faktoren
Social
Soziale Faktoren
Technological
Technologische Faktoren
Legal
Rechtliche Faktoren
Environmental
Umweltfaktoren
Faktoren bestimmen das Handeln
Diese Faktoren bestimmen gemeinsam, wie Organisationen handeln und sich aufstellen:
Eine Organisation könnte bspw. in Technologien investieren, durch die Produkte und Services umweltfreundlich erzeugt werden können. So können Erwartungen der Gesellschaft und Politik erfüllt werden. Andere Organisationen stimmen eventuell einer Zusammenarbeit nur dann zu, wenn bestimmte Umweltstandards eingehalten werden und dies bezeugt werden kann.
Aufgrund wirtschaftlicher und sozialer Faktoren könnte eine Organisation sich dazu entscheiden, verschiedene Versionen desselben Produkts zu veröffentlichen, die unterschiedliche Konsumentengruppen ansprechen. Streamingdienste bieten z. B. kostenlose Accounts mit Werbung, kostenpflichtige Accounts ohne Werbung und Gruppen-Accounts an, in denen verschiedene User registriert werden können.
Aufgrund neuer Datenschutzbestimmungen müssen Organisationen ihren Umgang mit Daten und die Zusammenarbeit mit externen Partnern überarbeiten.
Mögliche Folgen bei Missachtung
Werden die vier Dimensionen und die externen Faktoren nicht ganzheitlich betrachtet, kann dies weitreichende Folgen für eine Organisation und die bereitgestellten Services haben, wie
Services, die nicht mehr erbracht werden können oder die Erwartungen an Qualität oder Effizienz nicht erfüllen,
unwirtschaftliche Arbeit,
Doppelarbeit oder
Arbeit, die im Widerspruch zu dem steht, was an anderer Stelle in der Organisation getan wird.

2.3 Service Value Chain (SVC)

Wertschöpfungskette
Das zentrale Element des SVS ist die Service Value Chain (Wertschöpfungskette). Sie ist ein Betriebsmodell, das die wichtigsten Aktivitäten enthält, die erforderlich sind, um auf Nachfrage zu reagieren und Produkte und Services zur Verfügung zu stellen und zu managen. Jede Aktivität trägt zur Value Chain bei, indem sie spezifische Inputs in Outputs umwandelt. Dadurch wird Value erzeugt. Um Inputs in Outputs umzuwandeln, verwenden die Value-Chain-Aktivitäten verschiedene Kombinationen von ITIL-Praktiken (Reihe von organisatorischen Ressourcen zur Erreichung eines Ziels; s. Abschnitt 2.5). Jede Tätigkeit kann sich auf interne oder externe Ressourcen, Prozesse, Fähigkeiten und Kompetenzen aus einer oder mehreren Praktiken stützen. Engage könnte sich bspw. auf mehrere ITIL-Praktiken stützen, um auf neue Anforderungen für Produkte und Services, Entscheidungen oder Informationen von verschiedenen Stakeholdern zu reagieren. Dazu könnten u. a. Supplier Management, Service Desk Management, Relationship Management und das Service Request Management zählen. Es wird keine starre Struktur vorgegeben, an die sich Organisationen halten müssen. Aktivitäten und Praktiken sollen stattdessen kombiniert werden, um in Wertströmen (Value Streams) die Bedürfnisse einer Organisation in einer Vielzahl von Situationen zu befriedigen.
Abbildung 3 gibt einen Überblick über die SVC-Aktivitäten.
Abb. 3: Service-Value-Chain-Aktivitäten [5]
Plan
Die Planung auf allen Ebenen erfolgt fortlaufend über diese Aktivität. Ihr Zweck ist es, ein gemeinsames Verständnis der Vision, des aktuellen Status und des Ziels von Verbesserungen für alle vier Dimensionen und alle Produkte und Services der gesamten Organisation sicherzustellen. Bspw. werden Verbesserungsvorschläge aufgenommen und auf ihre Übereinstimmung mit den aktuellen Zielen der Organisation und ihre Umsetzbarkeit in Bezug auf die Gegebenheiten der Organisation hin überprüft.
Improve
Verbesserungen auf allen Ebenen werden über diese Aktivität eingeleitet und gesteuert. Ihr Zweck ist es, eine kontinuierliche Verbesserung von Produkten, Services und Praktiken über alle Value-Chain-Aktivitäten und die vier Dimensionen des Service-Managements hinweg sicherzustellen.
Engage
Alle eingehenden und ausgehenden Interaktionen mit externen Parteien werden über diese Aktivität durchgeführt. Ihr Zweck ist es, ein gutes Verständnis der Bedürfnisse der Stakeholder, kontinuierliche Interaktion mit allen Stakeholdern, Transparenz und gute Beziehungen zu allen Stakeholdern zu ermöglichen.
Design & Transition
Der Zweck der Design-&-Transition-Aktivität besteht darin sicherzustellen, dass Produkte und Services die Erwartungen der Stakeholder an Qualität, Kosten und Marktbereitschaft kontinuierlich erfüllen.
Obtain/Build
Alle neuen Ressourcen werden durch diese Aktivität beschafft. Ihr Zweck ist es sicherzustellen, dass Servicekomponenten verfügbar sind, wann und wo immer sie benötigt werden, und die vereinbarten Anforderungen erfüllen.
Deliver & Support
Der Zweck dieser Aktivität besteht darin sicherzustellen, dass Services gemäß den vereinbarten Spezifikationen und den Erwartungen der Stakeholder erbracht und unterstützt werden. Erstellung, Änderung, Lieferung, Wartung und Support von Komponenten, Produkten und Services erfolgen auf integrierte und koordinierte Weise zwischen Design & Transition, Obtain/Build sowie Deliver & Support
Achtung!
Products & Services, Demand und Value sind KEINE Value-Chain-Aktivitäten; sie sind SVS-Komponenten.
Value Streams
Um eine bestimmte Aufgabe auszuführen oder auf eine bestimmte Situation zu reagieren, entwerfen Organisationen Service Value Streams. Service Value Streams sind spezifische Kombinationen von Aktivitäten und Praktiken, die jeweils für ein bestimmtes Szenario konzipiert sind (z. B. Lösen eines Incidents). Da jeder Value Stream aus einer unterschiedlichen Kombination von Aktivitäten und Praktiken der Value Chain besteht, sind Inputs und Outputs als spezifisch für bestimmte Value Streams zu verstehen.
Beispiel
Ein Softwareentwickler könnte z. B. eine Value Chain implementieren, die die Entwicklung und das Management einer Software komplett abdeckt. Die Firma wird dazu Praktiken entwickeln, die auf spezialisierte Ressourcen und Techniken zurückgreifen, wie Business Analysis, Entwicklung, Testing, Release und Deployment sowie Support. Obwohl diese Praktiken auf einer hohen Ebene universell sind, müssen für verschiedene Produkte und Kunden unterschiedliche Arbeitsschritte durchlaufen werden. Dazu werden Praktiken und SVC-Aktivitäten in verschiedenen Varianten kombiniert.
Kombinationen
Beispielhafte Kombinationen sind:
Die Entwicklung einer neuen Anwendung für einen neuen Kunden beginnt mit der Interaktion von Mitarbeitern aus dem Bereich Pre-Sales, geht dann weiter zu Business Analysis, Prototypenentwicklung sowie der Gestaltung von Verträgen. Danach wird die Software entwickelt, getestet, veröffentlicht, und es wird Support geleistet.
Sollten Bestandskunden neue oder geänderte Anforderungen an eine bestehende Software haben, sind daran keine Pre-Sales-Mitarbeiter beteiligt. Business Analysis, Entwicklung, Testing und Support werden zudem in einer anderen Art und Weise eingebunden sein.
Die Behebung eines Bugs in einer produktiven Softwareversion wird eventuell durch den Support eingeleitet (nach Meldung durch den Konsumenten), gefolgt von einem Roll-back auf eine vorherige stabile Version. Danach wird ein Bug-Fix entwickelt, getestet und ausgerollt.
Experimente mit neuen oder bestehenden Produkten zur Erweiterung der Zielgruppe können mit Innovationsplanung und Prototypenentwicklung beginnen. Danach wird die Entwicklung eingebunden und schließlich eine Pilotversion für eine begrenzte Gruppe von Anwendern veröffentlicht, um ihre Wahrnehmung der vorgenommenen Änderungen zu testen.
Diese Value Streams ermöglichen es, jeweils unterschiedliche Nachfrage oder Chancen flexibel zu behandeln. Die Aktivitäten, die in den Value Streams durchlaufen werden, führen zu einer Verbesserung von Produkten und Services, und somit zu einer Möglichkeit, Value für die Konsumenten und die eigene Organisation zu erzeugen.
Einmal operationalisiert, sind diese Value Streams natürlich nicht in Stein gemeißelt. Sie unterliegen der kontinuierlichen Verbesserung, um angepasst werden zu können, sollte der Bedarf dafür bestehen. Die vier Dimensionen des Service-Managements und die ITIL Guiding Principles sind dabei zu berücksichtigen.

2.4 ITIL Guiding Principles

Leitsätze zur Hilfe
Kontinuierliche Verbesserung ist eine zentrale Aufgabe von Organisationen, die am Markt dauerhaft bestehen wollen. Daher sollten nicht nur bei der Überarbeitung von Value Streams, sondern bei grundsätzlichen Fragestellungen zur Ausrichtung einer Organisation Leitsätze zur Hilfe genommen werden.
Empfehlung für alle Situationen
Ein Guiding Principle ist eine Empfehlung, die eine Organisation in allen Situationen führt, unabhängig von Änderungen ihrer Ziele, Strategien, Arbeitsweisen oder Führungsstrukturen. Guiding Principles sind universell und dauerhaft. Sie verkörpern die Grundgedanken von ITIL und des Service-Managements. Sie spiegeln zudem die Gedanken anderer Methoden wie Lean, Agile, DevOps und COBIT wider, weswegen sie dazu verwendet werden können, verschiedene Methoden in einen übergeordneten Ansatz des Service-Managements zu integrieren.
Die Guiding Principles sind:
Focus on value
Fokus auf Wert:Alles, was die Organisation tut, muss direkt oder indirekt auf den Value für Kunden, Stakeholder oder die Organisation selbst ausgerichtet sein. Die Fokussierung auf den Value umfasst somit verschiedene Perspektiven. Neben dem Value, den Konsumenten wahrnehmen, erlangt auch ein Provider Value, zuallererst durch Einnahmen. Auch Mitarbeiter des Providers sollen sich auf den Value konzentrieren, im operativen Geschäft, zur Erreichung von Kundenzufriedenheit wie auch bei Verbesserungsinitiativen.
Start where you are
Beginnen Sie dort, wo Sie sind:Statt bei null anzufangen und etwas Neues zu bauen, sollten Organisationen zuerst berücksichtigen, was bereits verfügbar ist. Auf die aktuellen Services, Prozesse, Programme, Projekte und Personen kann wahrscheinlich aufgebaut werden, um den gewünschten Outcome zu erzielen. Der aktuelle Zustand sollte eingehend untersucht und beobachtet werden, um sicherzustellen, dass er vollständig verstanden wurde.
Progress iteratively with feedback
Iterativer Fortschritt mit Feedback:Organisationen sollten der Versuchung widerstehen, alles auf einmal zu tun. Selbst große Vorhaben müssen iterativ durchgeführt werden. Arbeit muss in kleineren, überschaubaren Abschnitten organisiert werden. Dadurch wird der Fokus schärfer und einfacher zu behaupten sein. Ein wichtiges Instrument dazu sind Feedbackschleifen, eine Technik, bei der die Outputs eines Teils eines Systems als Inputs für den gleichen Teil des Systems verwendet werden.
Collaborate and promote visibility
Zusammenarbeit und Förderung der Sichtbarkeit:Die Zusammenarbeit über Grenzen hinweg führt zu Ergebnissen, die einen höheren Buy-in, mehr Relevanz für die Ziele und eine höhere Wahrscheinlichkeit eines langfristigen Erfolgs haben. Zudem werden organisatorische Silos verhindert. Zusammenarbeit und Sichtbarkeit sind über alle Stakeholdergruppen zu fördern. Dies bildet die Grundlage für langfristige und fortlaufend wertstiftende Servicebeziehungen.
Think and work holistically
Ganzheitlich denken und arbeiten:Einen ganzheitlichen Ansatz für das Service-Management zu verfolgen bedeutet, ein Verständnis dafür zu entwickeln, wie alle Teile einer Organisation auf integrierte Weise zusammenarbeiten. Es erfordert eine durchgängige Transparenz darüber, wie die Nachfrage erfasst und in Outcomes umgesetzt wird.
Keep it simple and practical
Halten Sie es einfach und praktisch:Ergebnisorientiertes Denken sollte genutzt werden, um praktische Lösungen zu entwickeln, die wertvolle Outcomes liefern und gleichzeitig die minimale Zahl von Schritten erfordern. Dazu sollte bei ganzheitlicher Sicht auf die Arbeit der Organisation mit einem einfachen Ansatz begonnen werden, der später erweitert wird. Dabei ist es wichtig, dass die Organisation nicht versucht, für jede Ausnahme eine Lösung zu finden.
Optimize and automate
Optimieren und automatisieren Sie:Alle Ressourcen sollten effektiv und möglichst effizient eingesetzt werden. Organisationen sollten daher, wo immer es sinnvoll ist, eine Automatisierung anstreben, um die Verschwendung von Ressourcen zu vermeiden. Menschlicher Eingriff sollte nur dort geschehen, wo er einen wirklichen Mehrwert liefert.
Alle Prinzipien relevant
Die ITIL Guiding Principles ermöglichen es Organisationen, die Verwendung mehrerer Methoden in einen Gesamtansatz für das Service-Management zu integrieren. Es sollten nicht nur eines oder zwei der Prinzipien angewendet, sondern die Relevanz jedes einzelnen von ihnen und ihre gemeinsame Anwendung berücksichtigt werden. Nicht alle Prinzipien sind in jeder Situation kritisch, aber sie sollten bei jeder Gelegenheit überprüft werden, um festzustellen, wie angemessen sie sind. Sie geben einen wichtigen Input für die Governance einer Organisation und den Umgang mit Stakeholdern.

2.5 ITIL-Managementpraktiken

ITIL-Prozesse werden Praktiken
Die aus ITIL Edition 2011 bekannten ITIL-Prozesse werden in ITIL 4 in 34 Managementpraktiken für das Service-Management beschrieben. Sie sind ein Teil des Service-Value-Systems. Bei Implementierung oder Anpassung ist jede Praktik in Bezug auf die sechs Aktivitäten der ITIL Service Value Chain zu betrachten. Dabei unterstützen die Guiding Principles und die vier Dimensionen des Service Management.
Praktik
Eine Praktik ist eine Reihe von organisatorischen Ressourcen, die zur Durchführung von Arbeiten oder zur Erreichung eines Ziels bestimmt sind. Jede Praktik unterstützt mehrere Service Value Chain Aktivitäten und enthält Ressourcen aus den vier Dimensionen des Service-Managements.
Zuordnung zu Bereichen
Die Praktiken werden gegliedert nach Managementbereichen, in denen sie ursprünglich entwickelt wurden. Eine Zuordnung der Praktiken zu diesen Bereichen findet sich in Tabelle 1. Es werden folgende Bereiche unterschieden:
Allgemeine Managementpraktikenwurden für das Service Management aus allgemeinen betriebswirtschaftlichen Bereichen übernommen/angepasst.
Service-Management-Praktikenwurden im Service-Management und der ITSM-Branche entwickelt.
Technische Managementpraktikenwurden von Technologiemanagementbereichen für Service-Management-Zwecke angepasst, indem der Fokus von Technologielösungen auf IT-Services erweitert oder verlagert wurde.
Tabelle 1: ITIL-Managementpraktiken
Allgemeine Managementpraktiken
Service-Management-Praktiken
Technische Managementpraktiken
Architecture Management
Continual Improvement
Information Security Management
Knowledge Management
Measurement and Reporting
Organizational Change Management
Portfolio Management
Project Management
Relationship Management
Risk Management
Service Financial Management
Strategy Management
Supplier Management
Workforce and Talent Management
Availability Management
Business Analysis
Capacity and Performance Management
Change Control
Incident Management
IT Asset Management
Monitoring and Event Management
Problem Management
Release Management
Service Catalogue Management
Service Configuration Management
Service Continuity Management
Service Design
Service Desk
Service Level Management
Service Request Management
Service Validation and Testing
Deployment Management
Infrastructure and Platform Management
Software Development and Management

3 Das SOLVVision-ITIL-Modell der Praktiken

Value Streams verbinden die Ressourcen verschiedener Praktiken miteinander, sodass die Praktiken zur Erfüllung der Service-Value-Chain-Aktivitäten beitragen. So bedient die SVC-Aktivität Deliver & Support sich bspw. verschiedener Ressourcen aus den Praktiken Incident Management, Knowledge Management und Service Configuration Management, die in einem Value Stream zur Behebung einer Störung kombiniert sein können. Praktiken sind nicht einer einzelnen SVC-Aktivität zugeordnet, sondern haben ihren Fokus in der Regel auf ein oder zwei SVC-Aktivitäten. Service Level Management trägt vor allem zu den Aktivitäten Plan und Engage bei, aber auch zu allen anderen Aktivitäten der SVC. Es stellt die kontinuierliche Interaktion mit Konsumenten durch die Verarbeitung von Feedback und kontinuierliche Serviceverbesserung sicher (Engage). Zudem liefert es über die aktuelle Serviceleistung und Trends einen Input für Plan.
Das in Abbildung 4 aufgrund der Komplexität nur stark verkleinert dargestellte Prozessmodell verwendet nicht die oben beschriebene ITIL-4-Kategorisierung von Praktiken (Allgemeine, Service und Technische Management-Praktiken). Um die Praktiken besser veranschaulichen zu können, werden sie hier in Form eines Prozessmodells dargestellt. Den vollständigen und detaillierten Überblick über das Prozessmodell erhalten Sie in dem bereitgestellten PDF-Dokument.[ 03010_b.pdf]
Abb. 4: Das SOLVVision-ITIL-Modell der Praktiken
Unterer Abschnitt
Im Bereich der operativen Prozesse (unterer Abschnitt) werden Praktiken eingeordnet, die vor allem Benutzer- und Warranty-orientiert sind. Sie sind benutzernah und liefern daher Outcomes, die einen Value erzeugen. So liegt z. B. der Fokus der Service-Desk- und Incident-Management-Praktiken darauf, mit dem Benutzer zu interagieren, seine Anfragen aufzunehmen und vorhandene Störungen schnellstmöglich zu beheben. Wenn die vereinbarte Qualität eines Service zeitnah wiederhergestellt wird, wird dadurch gemeinschaftlich Value für beide Seiten erzeugt. Nicht nur erreicht der Benutzer seinen gewünschten Outcome, wieder arbeitsfähig zu sein, der Provider profitiert durch einen professionellen Services Desk von der positiven Wahrnehmung durch den Benutzer.
Mittlerer Abschnitt
Der Bereich der Veränderungsprozesse (mittlerer Abschnitt) umfasst Praktiken, die sich vorrangig mit dem Ermitteln und Umsetzen von Bedarf sowie mit neuen oder geänderten Anforderungen von Stakeholdern befassen. Sie verändern den möglichen Outcome von Produkten und Services, um eine Steigerung des Value zu erreichen. Dies umfasst Praktiken, die ihren Fokus vor allem, aber nicht ausschließlich, in den SVC-Aktivitäten Design & Transition und Obtain/Build haben. Wird bspw. durch das Continual Improvement oder von einem Kunden festgestellt, dass ein Service in Bezug auf die Utility die Anforderungen erfüllt, aber im Bereich der Warranty Optimierungspotenzial besteht, werden diese Prozesse durchlaufen. Dies kann dazu führen, dass nach einer Analyse festgestellt wird, dass die vorhandene Infrastruktur des Providers die Services nicht zuverlässig zur Verfügung stellen kann. In einem Projekt könnte daher entschieden werden, dass der Provider seine Infrastruktur künftig aus einer Cloud beschafft, statt sie selbst zur Verfügung zu stellen.
Oberer Abschnitt
Der Bereich der strategischen Prozesse (oberer Abschnitt) enthält vor allem Praktiken, die auf die Rahmenbedingungen und die Kontrolle fokussiert sind. Entscheidungen, die hier getroffen werden, haben strategischen Einfluss und können daher langfristige Auswirkungen haben – positive wie negative. Im negativen Fall können Fehlentscheidungen im Workforce and Talent Management bspw. dazu führen, dass einer Organisation die Ressourcen fehlen, um Value für ihre Stakeholder zu erzeugen. Positive Entscheidungen im Portfolio Management können hingegen die Wahrnehmung von Geschäftsoptionen bedeuten, mit denen eine Organisation sich am Markt absetzt. Diese Praktiken ermöglichen das Verändern und Bereitstellen von Outcomes, um Value zu erzeugen.
Schnittstellen
Da Value Streams flexibel sind und Aktivitäten aus Praktiken der verschiedenen Prozessbereiche miteinander verbinden können, bestehen zwischen den Bereichen Schnittstellen. Die Anforderungsschnittstelle leitet Service Change Requests aus dem Betrieb an die Veränderungsprozesse weiter. Hier werden Demands bearbeitet, die Änderungen und operative Prozesse darstellen. Diese müssen auf ihre Auswirkungen und ihr Potenzial hin analysiert und dann umgesetzt werden. Die Changeschnittstelle leitet ebenfalls Anforderungen von den operativen an die Veränderungsprozesse weiter. Hier geht es allerdings darum, vorab freigegebene Standard Changes durchzuführen, oder (Emergency) Changes an Change Control zu übertragen. Die Strategieschnittstellen verbinden die Veränderungsprozesse mit den strategischen Prozessen. Controlling und strategische Entscheidungen werden in den strategischen Praktiken erarbeitet und getroffen. Anschließend werden diese Entscheidungen zurückgespiegelt und gegebenenfalls umgesetzt. Auch werden darüber die Erkenntnisse auch der kontinuierlichen Verbesserung in Richtung Veränderungsprozesse geleitet, um umgesetzt werden zu können. Continual Improvement ist die Aufgabe aller Mitglieder einer Organisation, weswegen Erkenntnisse aus allen Praktiken hier verarbeitet werden.

4 Unterschiede zwischen ITIL Edition 2011 und ITIL 4

Dieses Kapitel gibt einen schnellen Überblick über die Veränderungen, die sich mit ITIL 4 ergeben. Neben den offensichtlichen konzeptuellen Änderungen (siehe folgende Unterkapitel) wurden auch Begriffsdefinitionen angepasst, die eine weitreichende Wirkung haben:
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ITIL Edition 2011 kannte nur den Begriff Service. Produkt war nicht Bestandteil des Glossars und nicht definiert. Darüber hinaus konzentrierte es sich auf die Erbringung von Services, die einen Mehrwert erzeugen. Diese Beziehung war monodirektional.
Neu
ITIL 4 definiert nun den Begriff Produkt und erweitert die Definition von Service. Der Begriff Service-Management ist nicht mehr so präsent. Die partnerschaftliche Co-Creation steht im Vordergrund und wird betont. Auch werden längere Wertschöpfungsketten und Schnittstellen über Organisationsgrenzen hinweg stärker thematisiert. Der Serviceprovider übernimmt somit in anderen Situationen der Service Relationship immer die Rolle des Servicekonsumenten. Bucht bspw. jemand bei einer Autovermietung ein Auto, tritt diese Person als Konsument auf und die Autovermietung als Provider. Entwicklung und Betrieb des Buchungssystems und der Website der Autovermietung könnten aber von einem Dienstleister übernommen werden. Somit wäre der Dienstleister hier der Provider, während die Autovermietung Konsument wäre. Das gleiche Verhältnis bestünde, wenn die Autovermietung als Konsument die Leistung einer Reinigungsfirma für ihre Autos in Anspruch nähme. Der Value Co-Creation für den Endkunden geht somit bereits eine Vielzahl von Servicebeziehungen voraus oder findet gleichzeitig statt.

4.1 Lebenszyklus versus Service Value System

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Service Lifecycle: ITIL Edition 2011 beschreibt einen recht starren Service Lifecycle. Jeder Service durchläuft diesen Lebenszyklus, und innerhalb des Lebenszyklus wird der Service konzipiert, implementiert, betrieben und verbessert. Es wurden fünf Lebenszyklusphasen definiert und jeder Phase mehrere Prozesse zugeordnet.
Neu
Service Value System: ITIL 4 hat sich von der Bereitstellung von Services weiterentwickelt und beschreibt nun ein Service Value System, das sich auf die Begriffe Demand, Value und Service Value Chain konzentriert. Um den Konsumenten Outcomes zu liefern, nutzt der Dienstleister Aktivitäten aus verschiedenen Praktiken und kombiniert sie zu Value Streams. Dies hat den Vorteil höherer Flexibilität und verbesserter Zusammenarbeit. Value Streams können bei Bedarf schnell angepasst werden, um so auf sich ändernde Bedingungen zu reagieren. Value Streams fördern die Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen Abteilungen und verhindern so das Arbeiten in organisatorischen Silos.

4.2 Prozesse versus Praktiken

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Prozessmodell: ITIL Edition 2011 ist streng prozessorientiert. Es wurden 26 Prozesse beschrieben, die jeweils einen speziellen Zweck haben und einer Lebenszyklusphase zugeordnet sind. Diese Prozesse enthalten fest definierte Rollen, die definierte Aktivitäten ausführen, um Inputs in Outputs umzuwandeln.
Neu
Rahmenwerk aus Praktiken und Service-Value-Chain-Aktivitäten: ITIL 4 ist ein flexibleres Modell. Praktiken sind eine Reihe von organisatorischen Ressourcen zur Erreichung eines Ziels, die durch Aktivitäten der SVC genutzt werden, um in spezifischen Kombinationen (Value Streams) die Erzeugung von Value zu ermöglichen. Value Streams werden designt, um eine bestimmte Aktivität auszuführen oder auf eine bestimmte Situation zu reagieren. Sie stellen eine spezifische Kombination von Aktivitäten und Praktiken dar, die jeweils für ein spezifisches Szenario gültig sind. Value Streams unterliegen der kontinuierlichen Verbesserung.
Ein Value Stream wird bspw. für eine Situation designt, in der für die Wiederherstellung eines Service eine Störung behoben werden muss. Der Value Stream beschreibt detailliert die Aktivitäten, Praktiken und Rollen, die in die Behebung der Störung eingebunden sind.

4.3 Veröffentlichungen und Zertifizierungen

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ITIL Edition 2011 besteht aus fünf Kernpublikationen, gegliedert nach den Phasen des Service Lifecycle. ITIL Edition 2011 umfasst vier Qualifikationsstufen (Foundation, Intermediate, Expert und Master). Im Intermediate Level gibt es zwei Pfade, um zum ITIL Expert Level zu gelangen. Der Inhalt der Foundation-Zertifizierung ist ein Auszug aus allen Publikationen.
Neu
ITIL 4 definiert sechs Publikationen: ITIL Foundation ist eine eigene Publikation. Die weiteren Publikationen sind Stand Mai 2019 in Arbeit und werden bis Ende 2019 sukzessive veröffentlicht. ITIL 4 definiert ebenfalls vier Qualifikationsstufen. Die Expertenebene gliedert sich in zwei Qualifikationen: Managing Professional für Service-Management-Spezialisten und Strategic Leader für Manager. Jeder Kurs hat seine eigene Publikation.
Zertifizierungsschema
Das Zertifizierungsschema wird in Abbildung 5 dargestellt. ITIL Foundation bildet den Einstieg in die Zertifizierung. Der ITIL Managing Professional Stream vermittelt praktisches und technisches Wissen darüber, wie man erfolgreiche IT-Projekte, -Teams und -Workflows führt. Der Abschluss von ITIL 4 Foundation ist dafür erforderlich. Es integriert drei Specialist- und das Strategist-Module, die abgeschlossen werden müssen, um die Bezeichnung ITIL Managing Professional zu erhalten.
Abb. 5: ITIL-4-Zertifizierungsschema [5]
Strategic Leader
ITIL Strategic Leader haben ein klares Verständnis davon, wie IT die Geschäftsstrategie beeinflusst und steuert. Der Stream integriert die Module Leader und Strategist (Modul für beide Streams), die abgeschlossen werden müssen. Der Abschluss von ITIL 4 Foundation und drei Jahre Führungserfahrung sind Voraussetzung für die Teilnahme am ITIL Leader Digital & IT Strategy Modul.
Master
Nach Abschluss der fünf Module aus beiden Streams hat der Lernende die Möglichkeit, sich zum ITIL Master zu qualifizieren.
Schnellverfahren
Zudem gibt es Schnellverfahren für ITIL Experts (V3 oder 2011) oder Inhaber von 17 Credits im V3-System, um die ITIL-Managing-Professional-Bezeichnung zu erhalten. Dieses ITIL-Managing-Professional-Transition-Modul wird nach seiner Einführung mindestens ein Jahr lang angeboten.

5 Zusammenfassung und Ausblick

Ganzheitlicher Ansatz gefordert
Wie eingangs beschrieben, stellen Dienstleistungen und deren Entwicklung einen immer größeren Anteil der globalen Wirtschaftsleistung dar. Kürzer werdende Innovationszyklen sorgen dafür, dass Organisationen flexibler werden müssen. Zunehmende Technologisierung bedeutet einen zunehmenden Bedarf an Softwareentwicklung. Um das Potenzial agiler Softwareentwicklung zu nutzen, reicht es aber nicht aus, sich darauf zu konzentrieren, in der Softwareentwicklung agil zu arbeiten. Analog zu einem Flaschenhals kann eine Organisation eine Wertschöpfungskette nur so schnell durchlaufen, wie der langsamste Teil dieser Kette arbeiten kann. Agilität sollte daher in allen Dimensionen des Service-Managements und in allen Aktivitäten der Service Value Chain gelebt werden. Nur mit einem solch ganzheitlichen Ansatz kann ein Service Provider durch den gesamten Servicelebenszyklus agil handeln.
Agilität in der gesamten Organisation
Die technischen Entwicklungen der letzten Jahre haben eine verstärkte Integration von Software und Infrastruktur ermöglicht, die dadurch auch Entwicklung und Betrieb von Services näher zusammenführt. ITIL 4 bietet die Möglichkeit, die Prinzipien agiler Softwareentwicklung beispielsweise auch im Betrieb und dem Support von Services anzuwenden, indem Changes und Service Requests in Iterationen durch produkt- bzw. servicespezifische Teams mit fortlaufendem Feedback und hoher Transparenz umgesetzt werden können. Dies kann und muss ebenfalls auf andere Aufgaben in einer Organisation angewandt werden, damit agile Methoden für ein Unternehmen sinnvoll sind. Seien es Vertragswesen, Einkauf oder das Verfügbarmachen von Ressourcen. Agilität entfaltet dann sein Potenzial, wenn es als grundlegendes Prinzip auf eine gesamte Organisation angewandt wird. Dazu bietet ITIL 4 die Werkzeuge für Unternehmen, auch in sich konstant ändernden Umgebungen zu bestehen.
Weiterentwicklung
Interessant wird es sein, die Weiterentwicklung von ITIL 4 zu erleben. Hat es doch seit der letzten Edition 2011 sieben Jahre gedauert, bis das neue Framework auf den Markt kam, so wird ein so langer Innovationszyklus nicht mehr marktgerecht sein und von seinen Anwendern nicht mehr akzeptiert werden. Vielmehr muss das Ziel sein, dass sich ITIL wie MVPs (minimum viable product) weiterentwickelt und sich den agilen Bedürfnissen von Unternehmen anpasst. Noch wünschenswerter wäre es, wenn es ITIL 4 durch NVPs (viele „next viable products”) schafft, wirkliche Innovationen iterativ bereitzustellen, wie es dem Framework von der Version 2 auf Version 3 einmalig geglückt ist.

Quellen

1
ITIL® is a (registered) Trade Mark of AXELOS Limited. All rights reserved.
2
ITIL Foundation, ITIL 4 edition. TSO (The Stationery Office), 2019
5
Copyright © SOLVVision GmbH und AXELOS Limited 2019. Alle Rechte vorbehalten. Das Material in diesem Dokument wurde aus ITIL® 4 Foundation bezogen. Kein Teil dieses Dokuments darf ohne die schriftliche Genehmigung der SOLVVision GmbH und der AXELOS Limited in irgendeiner Form reproduziert werden. Die Genehmigung kann unter info@solvvision.de und licensing@AXELOS.com beantragt werden. ITIL® ist eine eingetragene Marke von AXELOS Limited, verwendet mit der Genehmigung von AXELOS Limited.
 

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